(Aus einer Zeitung von 1942)

Aus einer handschriftlichen Chronik von 1808.

 

§ 1. Lage der Burg und Beschreibung ihrer Ruinen.

Nahe vor der Stadt liegen vor dem Johannistore und über der Kirche dieses Namens die Ruinen eines alten Schlosses, gemeiniglich die Alte Burg genannt. Der kleine Hügel, auf dem die Reste der Burg liegen, grenzt mit seinen Füßen an den großen Kirchhof und ist hinten mit Gärten umgeben. In der Mitte desselben sieht man noch die Tiefen des Schloßgrabens, dessen äußerster Rand 380 bis 400 Schritt im Umfange hat. Von dem Graben aus hat man noch eine kleine Höhe zu ersteigen, und man befindet sich auf der Mauer der Burg. Diese äußere Mauer ist vorn ganz mit Erde bedeckt, so daß man sie nur von innen sieht. Hinten stehen die Mauern noch hoch hervor, wie auch an der linken Seite; sie sind wie die ganze Burg von Fluß- und Kieselsteinen aufgemauert, die in einem dicken Mörtel gleichsam hineingeschoben sind. Die Lage der Steine ist an der Hintermauer in Zickzack gelegt. (Diese Art der Mauerung deutet auf ein sehr hohes Alter. Siehe Skizze.)  

Die herrlichste Ruine an dem ganzen Schlosse ist ein alter runder Turm, mit 4-6 Ellen dicken Mauern; allein er ist noch halb übrig, denn seine ganze Vorderseite ist herabgestürzt. Die andere Hälfte hat sich auch schon oben geteilt, und das eine Stück wird auch nicht mehr Stürmen trotzen, obgleich die Hinterseite noch ziemlich fest ist. Der Turm hat eine große Höhe. Inwendig kann man noch deutlich die Stockwerke unterscheiden, die der Turm ehemals hatte. Man zählt deren 5 übereinander. Da das untere von diesen ganz niedrig an der Erde ist, so kann man vermuten, daß der Turm unten noch tiefür war, ferne Mauern aber von dem herabgesetzten Schutt bedeckt wurden und dadurch der Boden höher wurde. Oben war der Turm wahrscheinlich auch noch höher, denn er sieht daselbst sehr verwittert aus, auch sieht man darauf keine Schlußsteine oder Zinnen. Schon ehemals war der Turm wegen seiner hohen Spitze bekannt und daher war das Sprichwort auf dem Harze allgemeint „Daß Dich der Teufel über Osterode führe". (Damals hieß also die Burg wohl noch Osterode.) Ordentliche Fensteröffnungen sieht man darin nicht, sondern nur einige Löcher, wo die Stockwerke waren und dann noch eine gewölbte Oeffnung, in der zwei Stufen in die Mauer gehen sollen, wozu sie dienten, weiß man nicht. Sie gehörten vielleicht zu einer Treppe, die in der Mauer des Turmes von einem Stockwerk ins andere führte.

Außer den Mauern und diesem Turme sieht man nichts mehr als große 8—12 Ellen dicke Steinmassen, die in chaotischer Verwirrung durcheinanderliegen und auf eine gewaltsame Zerstörung des Schlosses schließen lassen, wo-> von man aber nirgend Nachricht findet. Dann sind hin und wieder Steinhaufen aufgehäuft mit ärmlichen Dornbüschen umgeben, Stücke von Grundmauern mit Moos bedeckt sehen aus dem Schütte. Dies nun sind die ganzen Reste des Schlosses, auf dem einst ein edles Geschlecht hauste und Fürsten ihren Hof hielten.

Die Burg war klein und ovalförmig gebaut; ersteres ist ein Zeichen ihres hohen Alters; denn die ersten Burgen waren fast durchgängig klein; doch erlaubte auch die geringe Fläche des Hügels dem Bau keinen größeren Umfang. Fest konnte sie nicht sehr sein, wenigstens nach ihrer Lage nicht, wenn sie es nicht durch ihre Befestigungen war, von denen ohne Zweifel der Turm die stärkste war. Auch war sie vielleicht fest genug für ihre Besitzer, die Edlen von Osterode, denn dieses scheinen nie Freunde von Krieg und Fehde gewesen zu sein, auch findet man nicht, daß die Burg jemals wäre feindlich angegriffen oder belagert worden. 

§ 2. Geschichte der Burg und ihrer Besitzer.

Die Erbauung der Alten Burg ist völlig unbekannt, so daß man auch nicht einmal Mutmaßungen darüber hat, wann sie erbaut wurde und wer ihr Erbauer war. Doch kann man mit Recht auf ein hohes Altertum derselben schließen. Sie ist ohne Zweifel eine der ältesten des Harzes und scheint zu der Zelt erbaut zu sein, wie Heinrich.!, mehrere Klöster zur Befestigung des Landes anlegte. Gewiß ist es, daß die Burg eher als die Stadt existierte. Dies lehrt die Teilungsurkunde der Söhne Heinrich des Löwen von 1203 denn hier hieß Osterode. noch castrum. Ein Dorf Osterode konnte zu der Zeit wohl existieren, wäre es aber schon Stadt freilich gewesen, so wäre es gewiß auch als solche in der Urkunde ausgeführt.

Verschiedene Schriftsteller schreiben, sie habe schon in den Zeiten des Heidentums gestanden, man habe auf ihr Ostar oder Astaroth verehrt. Wie wenig Glaubwürdigkeit diese Nachricht verdient, sieht man leicht ein. Will man aber auf den Ursprung dieser Sage zurückgehen, so ist wahrscheinlich, daß die Göttin auf dem Hügel, wo nun die Burg steht, verehrt sei. Auch mochten hier vielleicht einige Wohnungen der Priester des Götzendienstes gelegen haben, die die Ursache der Sage waren.

Bei solchen Umständen wird man nun freilich nicht einmal wahrscheinlich die Zeit des Baues angeben können, doch spricht für ein hohes Altertum teils die Unbekanntheit mit dem Ursprünge des Schlosses, teils die Bauart, die zwar fest aber noch roh ist, teils aber auch, daß die Burg schon mehrere Jahrhunderte wüste und verlassen gelegen hat.

So unbekannt nun der Anfang des Schlosses ist, so ist auch das Ende desselben unbekannt und ungewiß. Man weiß nicht, ob es mit Gewalt zerstört wurde, wovon man aber, wie schon gemeldet, keine Nachricht findet, oder ob es von selbst wegen seines Alters nach und nach verfiel und verlassen wurde. Im 14. Jahrhunderte, im Jahr 1332, war es noch in bewohnbarem Stande; denn in diesem Jahre übergab Balduin de Piscina mit Genehmigung seines Bruders Dietrich und seiner Söhne in Gegenwart der Herzöge Ernst und Heinrich von Grubenhagen, dem Kloster Katlenburg sein Recht, das er an drei Hufen Landes hatte, was man auf dem Schlosse ausmachte.

Die Herzöge hatten auf der Alten Burg ihre Münze und Herzog Albrecht ließ noch 1471 auf derselben Geldmünzen. 

Nun sagt man von dem Schlosse, es habe ehemals mitten in der Stadt gelegen. Dieses läßt sich nur dann denken, wenn man annimmt, daß die Freiheit, die unter dem Schlosse sich hinzieht, dasselbe auch von hinten eingeschlossen und so umfaßt hatte. Auch lagen damals am Fuße desselben auf dem jetzigen Kirchhofe die Gebäude des Barfüßerklosters und nicht weit davon die Bartholomäuskapelle, deren verschiedene Gebäude, als die Wohnungen der Mönche und anderer Personen, sich um den Burgberg hinzogen. Auf diese Art konnte es leicht das Ansehen haben, als wenn die Burg mitten in der Stadt läge, da sie doch gewiß immer außerhalb der Mauern der eigentlichen Stadt lag.