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Eine Pionierleistung
Freiheit. Als im Sommer 1974 die Volksbücherei Freiheit aufgelöst wurde, zog lautlos eine bedeutsame Bildungseinrichtung von Freiheit in die Räume der Stadtbibliothek um. Ein Brief der kirchlichen Schulaufsicht und dem königlichen Amt Osterode belegt, dass bereits „Mit dem Anfang des Jahres 1870 für die Schulgemeinde Freiheit eine Bibliothek gegründet wurde“ - vermutlich die erste Volksbücherei im Amtsbezirk Osterode oder gar über diese Grenzen hinaus.
Zu unterscheiden sind Bibliotheken mit begrenztem Leserkreis (Schülerbücherei) und solche, die der gesamten Bevölkerung zugänglich sind, welche den Namen „Volksbücherei“ erhielten. Volksbüchereien wurden eingerichtet, um allen Bevölkerungsschichten, insbesondere der Arbeiterbevölkerung guten Lesestoff zur Unterhaltung und Bildung anzubieten.
Solche Büchereien (VB) entstanden zuerst im Ausland (Paris 1848). In Amerika verbreitete sich die Idee, VB durch private Schenkungen einzurichten, so wurden auch die kleinsten Orte ausgestattet. Berlin erhielt 1850 eine VB und erst nach der Reichsgründung 1870 bis 71 wurde die Forderung, VB als Bildungsstätte für Stadt und Land einzurichten, zunehmend verwirklicht.
Danach zu urteilen, gehörte die Gründung der VB Freiheit im Jahr 1870 zur Pionierleistung auf dem Gebiet „Soziale Bildungsstätte“. Als Initiator ist Lehrer Bergmann aus Freiheit zu nennen. Er sprach einzelne Gemeindemitglieder an und bat um freiwillige Buchgaben. Der Fabrikant Hermann Greve unterstützte diese Idee und stiftete eine Anzahl von Büchern. Pastor Höpfner (St. Aegidien) stellte beim königlichen Amt Osterode einen Antrag auf finanzielle Unterstützung und hatte Erfolg, wie ein Dokument belegt. Das königliche Amt bewilligte 25 Reichstaler und spendete 94 Bände guter Volksschriften. Das Schulamt in Hannover spendete zusätzlich zehn Reichstaler und eine Anzahl Bücher.
Eine Satzung gab vor, „dass nur solche Bücher auf genommen werden, die auf geistig-sittlichem Grunde stehen. Politische und sozialagitatorische Schriften bleiben gänzlich ausgeschlossen, sie sind unverträglich mit d.em veredelnden Zwecke einer Volksbibliothek. “
Diese Vorgabe geriet in Vergessenheit oder wurde bewusst ignoriert, denn in der Zeit der Nationalsozialisten galten andere Bildungswerte. „In der Erkenntnis, dass das gute Buch als ein Schwert des Geistes jedem Volksgenossen zugänglich sein muss, um an der Belebung und Vertiefung nationalsozialistischer Weltanschauung mitzuhelfen, hat die Stadt keine Kosten und Mühe gescheut, die Städtische Volksbücherei umzugestalten, dass sie den Anforderungen der Zeit entspricht.“ (28.2.1936).
Die Volksbücherei, im Schulgebäude Freiheit untergebracht, stellte im April 1945 die Ausleihe ein. Zur Wiedereröffnung musste der Nachweis geführt werden, dass „die Bücherei von dem nationalsozialistischen Schrifttum vollständig gereinigt“ sei. Die Gemeinde stellte am 1.12.1946 den Antrag auf Wiedereröffnung. Der erste Bücherwart nach dem II. Weltkrieg war der Lehrer Richard Lüttge (verst. 1956). Sein Nachfolger, Kurt Wipprecht, führte die Volksbücherei bis zu seiner Pensionierung (1969) und übergab sie dem Lehrer Hans Jürgen Reuter.
Durch die Eingemeindung zur Stadt Osterode und die Zusammenlegung der Schulen Lerbach-Freiheit trat auch für die Volksbücherei eine grundlegende Veränderung ein. In der Ratssitzung vom 5. Juli 1972 wurde beschlossen, die VB in Freiheit zu schließen. Der Buchbestand für Kinder bis zum zwölften Lebensalter sollte der Schülerbücherei zugeordnet werden, der Restbestand an die Stadtbücherei überwiesen werden. Mit dieser Auflösung verlor Freiheit eine Bildungseinrichtung von hohem Rang. Zu hoffen bleibt, dass das Kulturleben im Stadtteil Freiheit eine Eigenständigkeit bewahrt und künftig mehr beachtet wird. Die Heimatstube Freiheit verdient in diesem Zusammenhang mehr Hilfe.