Harz Kurier vom 11.04.1998
Serie: Von Land und Leuten Nr.7

Die alten Sitten und Bräuche geraten in Vergessenheit — Von Albrecht Schütze

Kreis Osterode. Zwar sind auch heute noch einige überlieferte Sitten und Bräuche traditionell erhalten, doch sind zahlreiche bereits in Vergessenheit geraten. Die Volkskundler haben es schwer, das Brauchtum zu erkunden, denn Sitten und Bräuche haben zwar meist den gleichen Ursprung, doch die Umsetzung verlief in individueller Art.

Von Ortschaft zu Ortschaft sind unterschiedliche Formen bekannt - Faschingsfeiern, Schützenfeste und Osterfeuer geben dafür hinreichende Beweise. Diese jahreszeitlich bedingten Traditionen haben sich über Jahrhunderte erhalten und dürften auch zukünftig im Bewußtsein bleiben.

Feste nur passiv betrachtet

Es schließt aber nicht aus, daß sie sich von Jahr zu Jahr verändern und möglicherweise viele traditionelle Eigenarten verdrängt werden, weil diese Feste nicht aktiv erlebt, sondern nur passiv betrachtet werden. Erste Alarmzeichen sind erkennbar, wenn zum Beispiel Schützenfeste nicht mehr jährlich, sondern in größeren Jahresabständen durchgeführt werden sollen, weil das Interesse (mangels gewohnter Fernseh- und Filmeffekte) für diese Veranstaltungen verblaßt. Aber auch „das Osterfeuer ist nicht mehr das, was es einmal früher war“, hört man häufiger von älteren Einwohnern als Klage.

Schaulustige, die nach dem Abbrennen des Osterfeuers heute mit Asche das Gesicht geschwärzt bekommen, sind oft erbost und entsetzt über das vermeintlich übermütige Treiben der Jugendlichen -dabei hätten sich die Betroffenen freuen sollen, denn in der Osterfeuerasche soll heilbringende Kraft liegen. Diese ursprüngliche Bedeutung des Ascheschwärzens und andere Weisheiten unserer Altvorderen, ist uns nur nicht mehr bewußt.

Viele Osterbräuche

Das Osterfeuer stellt ohnehin nur einen Teil der Osterbräuche dar. Vergessen ist auch, daß das Osterwasser Heilwirkung besitzt. Konfirmandenjahrgänge unternahmen Osterspaziergänge mit dem Ziel, eine Quelle aufzusuchen, nicht ganz frei von dem Gedanken, der Liebsten das Gesicht mit dem kühlen Quellwasser zu benetzen. Die Mädchen ließen es zu, denn Osterwasser soll Schönheit verleihen. Am ersten Ostertag, vor Sonnenaufgang, holte man im Krug Osterwasser, das gegen allerlei Krankheiten hilfreich sein sollte. Auch trieb man das Vieh in der Osterwoche an die Tränke und begoß die Tiere, verbunden mit Segenssprüchen, um Krankheiten abzuwehren bzw. zu heilen.

Bedeutende Hinweise

All diese gemeinschaftsfördernden Bräuche sind aus unterschiedlichen Gründen in Vergessenheit geraten. Krieg-und Notzeiten, aber auch Wissenschaftsgläubigkeit und der Drang selbstbewußt und unabhängig leben zu wollen, können oftmals Chroniken bedeutende Hinweise liefern. In der Schulchronik-Freiheit ist überliefert, daß die Eimermacher (Holzeimer, Böttcher) und die Fuhrleute in Freiheit zu Fastnacht einen Umzug durchführten. „Dabei setzten sich zwei verkleidete Gestalten auf ein Rad, das von einem Pferd gezogen wurde, was possierlich aussah. In den mit dem betreffenden Handwerk in Verbindung stehenden Häusern wurden Gaben gesammelt, namentlich Würste“, heißt es in der Chronik.

Bräuche verschwinden

An anderer Stelle wird ein Weihnachtsbrauch angeführt: „Die Sitte, in der Zeit vom Weihnachtsfeste bis Heiligen Drei Könige mit dem Herodeskasten umherzuziehen ist seit 20 Jahren verschwunden“. Nach der Chronik zu schließen, müßte dieser Brauch noch um 1875 üblich gewesen sein. Nicht nur im Frühjahr, im gesamten Jahresverlauf gab es Anlaß, weitere Bräuche (Pfingsten, Erntezeit. . .) als Ausdruck der Lebensfreude darzustellen. Besonders die langen Winterabende begünstigten, dem ländlichen Arbeitsverhalten angepaßt, Sitte und Brauchtum mit Leben zu füllen.

Alte Bräuche können auch wieder belebt werden, wie das Beispiel der Weihnachtssänger in Osterode zeigt. Interessant ist, daß diese Weihnachts Sänger auch Silvestersänger waren, denn in der Silvesternacht sangen sie „Bis hierher hat mich Gott gebracht“ und das Lied „Das alte Jahr vergangen ist“, damit erwarb sich der Nachtwächter das Recht in den Häusern zu gratulieren, wobei ihm ein Geldgeschenk gegeben wird“, heißt es in der Chronik.

Wenn Volkssitten und Bräuche nicht in Vergessenheit geraten sollen, gibt es eine Chance: die aktive Mitarbeit. Wer sich nicht selbst aktiv einbringt, wird kaum oder nur halbherzig ein Brauchtum erhalten.

Foto: Archiv Binnewies - Osterfeuer in Förste.