Von Land und Leuten – Harzer Feierabend, Nr. 47
Quelle: Harz-Kurier vom 04.November 2000
„Haus Sonne" versinnbildlicht Aufschwung in Freiheit
von Albrecht Schütze


Freiheit. Das „Haus Sonne" in Freiheit (Hauptstr. 21) hat seinen Namen durch den Haustürschmuck,  eine Sonnenscheibe mit der Jahreszahl 1700, erhalten. Noch sind die ersten Besitzer dieses Hauses nicht eindeutig belegt, doch nach der Hausfront und der gesamten Bauanlage mit dem umbauten Innenhof (Waschhaus, Stallungen, Scheune) zu urteilen, gehörten die ursprünglichen Besitzer zu den wohlhabenden Einwohnern von Freiheit.

Als dieses Haus gebaut wurde, gab es in Osterode das Kommagazin noch nicht. Gärten umsäumten die Stadtmauer, die mit ihren Toren einem Gürtel gleich die Häuser und Kirchen mit den aufragenden Türmen St. Aegidien und St. Jacobi zusammenhielten. Die Söse trennte die Bewohner der Stadt von denen aus der Johannisvorstadt und Freiheit, die ohne Schutzmauer lebten und wohl deswegen eine selbstbewusste Lebensweise entwickelten, und trotz aller Rückschläge einen Neuanfang wagten. In einer Beschreibung des Fürstentums Grubenhagen von 1673 wird berichtet, dass in Freiheit 100 Wohnungen unbewohnbar geworden seien, größtenteils durch Feuer, so dass die Bewohner in die Johannisvorstadt zogen. Etwa 15 Jahre später (1689) hatte Freiheit nur 439 Einwohner, das entsprach gut 80 Haushaltungen. Die Auswirkungen des 30 jährigen Kriegeswaren gegen 1700 einigermaßen überwunden, so konnte das „Haus   Sonne"   weitsichtig geplant und gebaut werden. Es ist die Zeit, in der die Leineweber, in Freiheit allgemein nur als Weber bezeichnet, als Heimarbeiter beginnen und sich zu selbstständigen Handwerkern emporarbeiten.

Schulstube seit 1637

Die seit 1637 bestehende Schulstube mit dem ab 1664 amtlich bestellten Schullehrer, Johann Daniel Külstein, unterstützte diese Entwicklung. Wer lesen und schreiben konnte, hatte bessere Möglichkeiten, den Lebensunterhalt zu sichern. Das galt auch für die Kenntnis von Zahlen, Maßen und Gewichten. Die Freiheiter Korn-  auch  Fruchthändler genannt, müssen eifrige Handelsleute gewesen sein. Ein Kaufkontrakt vom 14.2.1666 belegt, dass es Eseltreibern verboten wurde, vor 11 Uhr Getreide  aufzukaufen. Die Preise wären sonst für die Osteroder Bürger und Hand werker zu hoch gestiegen. Auch wurde ihnen auferlegt, alle vier Stadttore zu nutzen, damit das Johannistor nicht zum Engpass werde. Das „Haus Sonne", auch als Eseltreiberschenke bezeichnet, war zu einem günstigen Zeitpunkt erbaut, denn der begonnene wirtschaftliche Aufstieg wurde durch den Standort des Harzkornmagazins in Osterode ab 1722 weiter gestärkt. Die Eseltreiber erlebten eine Blütezeit, so dass in Freiheit ebensoviel Esel gehalten wurden, wie es Webstühle gab - je 80 an der Zahl. In einer Aufzeichnung des Gemeindevorstehers Windhausen wird dieser Sachverhalt hervorgehoben: „Die Handweberei stand früher sehr in Blüte, so dass manche Leute es dadurch zu Wohlstand gebracht haben".

Französische Belagerung

Ein dritter Erwerbszweig, der um diese Zeit in Freiheit stark zunahm, war das Handwerk der Eimermacher. Ihre Produkte wurden im gesamten norddeutschen Raum verkauft. Der siebenjährige Krieg (1756 - 63) stoppte den wirtschaftlichen Aufschwung. Im Herbst 1761 wurden die Freiheiter besonders hart getroffen. Französische Truppen belagerten den Ort und lieferten sich vor Lerbach ein Scharmützel mit dem Harzer Jäger Corps. Elf Wochen haben die Franzosen hier im Lager und Quartier gestanden und Felder und Häuser geplündert, heißt es in einer Überlieferung.

300 Jahre Dorfgeschichte

Das war in der langen Geschichte des Dorfes, einschließlich des Hauses „Sonne", nicht die einzige unruhige Episode. Geht man von dem Standort an der Hauptstraße aus, so ließe sich hier die Zeitspanne der letzten 300 Jahre Dorfgeschichte festmachen. Als der bedeutungsvollste   Abschnitt jedoch bliebe die Zeit ab 1700, als in Freiheit durch die Weber, Eseltreiber und Eimermacher die wirtschaftliche Grundlage des Ortes neu belebt wurde. Das seinerzeit erbaute „Haus Sonne", mit dem Symbol der Sonnenscheibe über der Tür, versinnbildlicht geradezu diesen hoffnungsvollen Anfang, der trotz nachfolgender erschwerlcher Ereignisse den Fortbestand des Dorfes Freiheit sicherte. Die Hausfront dieses Hauses gehört zu Freiheit, wie das Kommagazin zu Osterode.