Harz Kurier vom 07.08.1999
Serie: Von Land und Leuten Nr.30
Haus an Haus und die Gärten am Hang
Freiheit. Ursprünglich genügte es, im Dorf Freiheit die Namen der Hausbesitzer zu kennen, doch bald wurde die „Häuserkette” beiderseits des Lerbachs zu lang und unübersichtlich. So wurden die Häuser der Reihe nach durchnummeriert. Haus an Haus, ohne Baulücke wurde errichtet, und die angrenzenden Hanglagen als Gärten, Wiesen und Felder genutzt. Diese Hänge ließen sich ohnehin nur mühsam bearbeiten, aber für den Lebensunterhalt sicherten sie Gartenfrüchte und die Produkte der Kleinviehhaltung.
Die Bauweise, Giebelwand an Giebelwand ohne „Wirtschaftsteil” hatte zur Folge, daß die hinter dem Haus liegenden Gärten nur durch den Hausflur beziehungsweise die Küche erreicht werden konnten. In der Regel besaßen die Bürger auch Kleinvieh (einschließlich Ziege), so dass nicht nur das Wiesenfutter transportiert, auch alle Pflegedienste der Stalltiere durch die Haustür (Küchentür) verrichtet werden mußten. Fast 80 % aller Häuser lagen an der Straße im Tal des Lerbachs, die den Namen „Hauptstraße” erhielt. Ein solcher Name unterstreicht Größe und Bedeutung des Ortes. Bevor jedoch der Name „Hauptstraße” aufkam, gab es schon die „Alte Harzstraße” und den „Gümpelhof”, jedoch nur mit wenigen Häusern bebaut.
Ein heimatgeschichtlich interessierter Bürger glaubte, die Burg mit der nahegelegenen Königsgasse ergäben einen Zusammenhangin der Weise, dass die Königsgasse ein verborgener, geheimer Weg, also ein Fluchtweg des Königs gewesen sei. Zwar ist König Ernst August von Hannover mit seinem Gefolge 1838 durch Freiheit gezogen, doch der Name Königsgasse ist auf die Zigarrenfabrik König & Cq. aus Braunschweig zurückzuführen, die 1867 dort die Produktion aufnahm und zehn Jahre später 30 Arbeitsplätze umfaßte. Vor diesem Zeitpunkt war das Anwesen ein Wohnhaus und um 1845 eine Färberei als Nachfolgerin einer Brennerei (Kartoffelschnaps). Die Königsgasse, auch in den Gemeindeakten als Königsstraße bezeichnet, blieb bescheiden, eingeengt durch den Butterberg und die gegenüberliegenden Grundstücke der Gemeinde (Schule) und des späteren Fuhrunternehmers Borchers, so dass eine Fahrbahnverbreiterung nicht gegeben war.
In den Akten der Gemeinde Freiheit ist eine weitere Gasse genannt, die „Butterberggasse”. Dieser Name ist vermutlich mit dem Ausbau des Weges „Am Butterberg” (seit 1972 Burgweg) annulliert worden. Es handelte sich um das Wegstück zwischen „Am Butterberg” und der „Hauptstraße”. Das Spritzenhaus und Wohnhaus Borchers lagen an der „Butterberggasse”. (Der Name Butterberg bezeichnet den Höhenrücken, auf dessen Zipfel die Burg gebaut wurde. Der Ursprung des Namens ist nicht belegt).
Von der „Butterberggasse” aus konnte man den Lerbach beziehungsweise die „Hauptstraße” überqueren und über 66 Stufen die Steigung nach dem Koppelweg (Baumhofstraße) überwinden. Diese Stufen waren nach einer Beschreibung von W. Oehlkers mit eichenen ausrangierten Eisenbahnschwellen belegt. Der Name „66iger Treppe” war kein offizieller Straßenname, aber ein fester Begriff bei Wegbeschreibungen. Der Koppelweg, ein Wirtschaftsweg in der Feldmark, Verbindungsweg zur „Alten Harzstraße” ermöglichte den Bürgern, die Wiesen, Weiden und Felder zu bewirtrschaften.
Gab es in diesem Gebiet einen Hof mit Wald-Baumbestand? Der Name Baumhofstraße nährt diese Vermutung, zumal in einer Urkunde der Stadtgemeinde Osterode neben Weide- und Ackerbesitz auch die „Holzung am Baumhof’ bestätigtwird. Es handelt sich um eine Parzelle von gut 200 qm. Dieser Koppelweg wird zum Ausgangspunkt nach der Flurbereinigung (1891-97) für weitere Siedlungsflächen in der Freiheiter Feldmark.
Alte Flurbezeichnungen wie „Hengeireckentrift” oder „Nägelade” und „Hängeiriede” wurden für künftige Straßennamen in den Neubaugebieten berücksichtigt. Der „Hengstrücken” wird in wenigen Jahren der Bauzeit mehr Häuser ausweisen, als die Hauptstraße über Jahrhunderte hinweg belegen kann.
Foto: Schütze - Ein Teil der früheren Zigarrenfabrik König u. Co.
siehe: Wie die Straßen in Freiheit zu ihrem Namen kamen (Teil II)