Harz Kurier vom 28.08.1999
Serie: Von Land und Leuten Nr.31

Wie „Brennstoff” zum „Gemüse” wurde

Osterode. In der Zeit vor der Flurbereinigung (Verkoppelung 1891 bis 97) war die Freiheiter Feldmark, das Acker-, Wiesen- und Weidenland, von zahlreichen Wegen (Wirtschaftswege und Fußwege) durchzogen. Einige konnten mit Fuhrwerken befahren, andere nur als Fußweg benutzt werden. In der Regel waren sie teilweise (Ränder) oder ganzflächig mit Gras bewachsen, das seinerzeit als Viehfutter hoch geschätzt wurde. So verwundert es nicht, wenn die Nutzung dieser Feldwege rechtlich geklärt und vertraglich abgesichert wurde.

Im Teilungs- und Verkoppelungsvertrag bezüglich der Freiheiter Feldmark heißt es sinngemäß, „auf den nicht öffentlichen Wegen darf das zu den Weiden getriebene Vieh nicht geweidet werden. Auch die angrenzenden Grundstücke dürfen nicht vom Vieh betreten werden, nur der Hund des Hirten darf in den Gräben zwischen Weg und Feld laufen.” In dem genannten Vertragswerk sind die Wege benannt, genauestens berechnet und mit dem Besitzrecht namentlich ausgewiesen. Eine aufschlußreiche Unterlage für die Heimatforschung.

Viele Wege sind ohne amtlichen Namen, vermutlich mündlich mit dem Namen des Besitzers benannt worden, wie „Noltens Grund” (Tischler Nolte, Haus Nr. 75). Ein Teil der Wege erhielt den Namen nach der Lage (Im Eichental), der Nutzungsweise (Die langen Äcker) oder Schutzmaßnahmen (Lattenbusch). Neben einer amtlichen Wegbenennung benutzten die Bürger auch eigene Namen, wie das Beispiel „Bündgenberg” belegt. (In der Verkopplungskarte von 1902 ist die Schreibweise Bündchenberg). W. Oehlkers nennt in der Schulchronik diesen Weg „Kohlweg” und weist auf den Wandel des Namens hin, der zu Fehldeutungen führen könnte. Der ursprüngliche Name „Kohlenabfuhrweg” verkürzte sich auf Kohlenfahrweg und schließlich auf Kohlfahrweg. So kann ein Brennstoff zum Gemüse werden. Das Eckgrundstück „Alte Harzstraße - Bündgenberg” war ein Brennstofflagerplatz.

Nach Oehlkers Beschreibungen hieß der heutige Burgweg „Nägelade”, doch in Feldmark-Urkunden findet sich nur die Wegbeschreibung „Weg auf dem Butterberg bis zum Osteroder Friedhof’. Ebenso unsicherist die Beschreibung „Hän-gelriede”. Oehlkers schreibt: „Neben der v. Allvördschen Fabrik führt ein Feldweg nach der alten Harzchaussee. Von diesem zweigt sich rechts ein Weg ab, den früher die Eseltreiber benutzten. Er führt den Namen „In der Hängeiriede”. Jetzt führt an ihm die Telegrafenleitung entlang.” In der Verkopplungskarte von 1902 hat der Zeichner Weidemann diesen
Weg (See II 114 - 113) eingezeichnet.

In dem dazugehörenden Textband heißt dieser Weg „Hengeireckenweg” (Heute das Wohngebiet „Am oberen Vogelherd”) Geht man davon aus, dass der Buchstabe „1” in dem Wort „Hengeirecken” ein „s” sein sollte, wäre der Begriff „Hengesrecken” = Hengstrük-ken nachvollziehbar. (Das in Sütterlinschrift geschriebene s, flüchtig ausgeführt, ist leicht als 1 zu lesen. Die Schreibweise „Hängeiriede” ist wohl nur durch die mündliche Überlieferung entstanden. So können sich gebräuchliche Begriffe in rätselhafte Wortschöpfungen verwandeln.

Der Name „Am Lattenbusch” geht vermutlich auf eine Maßnahme zurück, das Ackerland zu schützen. Als Windschutz gegen Austrocknung und Erosion der Ackerkrume setzte man früher „Staken” (Latten). Bei der Feldbegehung, Teil eines Pachtkontrollaktes, wurden früher genaue Beschreibungen protokolliert, die zu alten Sprachschätzen zählen. In einem solchen Protokoll heißt es: . . starke Zäune aus eichenen Staken säumten die Triftwege, Stakenzäune schützten das Ackerland gegen Verbiß der zur Hutung getriebenen Viehherden. . .auchmilderten die Staken die schädigenden Einwirkungen des Windes und verringerten die Gefahren der Auswinterung.

Nicht alle Straßennamen können auf eine heimatgeschichtliche Bedeutsamkeit zurückgeführt werden, die Straßennamen „Am Vogelherd”, „Buchenweg”, „Burgblick” sind auch aussagekräftig und werden zeitlos bestehen können. Nicht jede Straße hat ihren Namen behalten dürfen. Die Hauptstraße in Freiheit hieß einige Jahre „Straße der SA” und Oehlkers bezeichnet um 1900 die Hauptstraße mit „Poststraße”, denn der Postweg in den Harz durch Freiheit gewann an Bedeutung und wertete mit diesem Namen den Begriff „Hauptstraße”, ab.

Foto: Schütze - Hieß zeitweise „Poststraße” und „Straße der SA”: Die Hauptstraße in Freiheit. Foto: Schütze

siehe auch: Wie die Straßen in Freiheit zu ihrem Namen kamen (Teil I)