Harz Kurier vom 10.07.1999
Serie: Von Land und Leuten Nr.29

Osterode. Im westlichen Harzvorland führten bedeutende Handelsstraßen am Harzgebirge vorbei. Durch den Handel der deutschen Städte entwickelte sich eine Verkehrsdichte, die kaum an anderer Stelle in Deutschland größer gewesen sein mag. Von Nordhausen führte die „Thüringer Straße“, von Duderstadt die „Nürnberger“- oder „Augsburger Straße“ nach Osterode (später fand die Vereinigung dieser beiden Straßen bei Badenhausen statt). Von Göttingen über Echte stieß die „Frankfurter“ mit der „Holzmindener Straße“ bei Seesen zusammen, so daß im westlichen Vorland des Harzes ein lebhafter Verkehr herrschte.

Während Goslar nach Süden durch den bekannten Kaiserweg über Oker, Oderbrück und Walkenried eine genügende Verbindung über den Harz besaß, fehlte eine Verbindung über den Oberharz nach Westen zur „Nürnberger Straße“. Zwar führte vermutlich schon seit „keltischer Zeit“ der „Houster Weg“, jetzt „Hundscher Weg“, genannt, von Osterode in den Oberharz, doch für Handelswagen war er ungeeignet. Er genügte den Ansprüchen der Zeit nicht mehr. So ist die alte Harzstraße zur Blütezeit der Hanse aus den Bedürfnissen der Zeit entstanden. 1457 wird diese Straße urkundlich als „rechte Heerstraße“ genannt. An dieser Straße lagen verschiedene Wegklausen, die man als älteste Gebäude des Oberharzes ansehen kann (z. B. Heiligenstock und Überreste im Seitenbau der St. Jacobikirche in Osterode).

Mit der Anlage der Harzstraße war aber nicht allein dem Handel gedient, sondern auch der Erschließung des Oberharzes. Der Berbau und die Hüttenbetriebe veränderten das Gesamtbild des Harzes, einschließlich der Ortschaften am Harzrand, wie z. B. Freiheit.

Für die Menschen dieser Ortschaft bot die „alte Harzstraße“ jahrhundertelang die einzige Verbindung mit Pferd und Wagen nach Lerbach und Clausthal. Nachdem die Lerbacher Eisenhütte 1837-39 wieder neu aufgebaut worden war, ging man auch daran, den Fußweg von Freiheit, der zwischen den Häusern entlang, teilweise durch das Flußbett des Lerbachs nach der Hütte hinaufführte, zu chaussieren, das heißt, diese Fahrbahn wurde mit kleingeschlagenen Steinen oder Kies befestigt. Nach einer Chronikunterlage (W. Oehlkers, 1865-1943) besuchte König Ernst August von Hannover 1838 den Harz. Der Weg führte über diese neue Straße nach Lerbach. Die Freiheiter stellten sich auf den Königsbesuch ein und deckten die an der Straße liegenden Misthaufen mit Tannenzweigen zu. Ob der König und sein Gefolge diese freundliche Maßnahme zu würdigen wußten, ist nicht überliefert.

Die neue Straßenverbindung durch das Tal entwickelte sich zu einem Hauptverbindungsweg zwischen Osterode über Freiheit, Lerbach nach Clausthal. Das Teilstück „alte Harzchaussee“, so nannte man zwischenzeitlich (französischem Einfluß folgend) die „alte Harzstraße“, ab Freiheiter Hof über den Hengstrücken nach Heiligenstock, wurde kaum noch als Handelsweg genutzt. Der Frachtverkehr hörte ganz auf. Die mit sechs Pferden bespannte Post mit ihren zwei Postillionen in roten Jacken, gelbledernen Hosen und schwarzen Stulpenstiefeln benutzten nun den bequemeren Weg. Auch die Kohlenfuhrleute, die mit ihrem zweiräderigen von einem Pferd gezogenen Karren die Holzkohle von den Meilerhaufen abtransportierten, befuhren mehr und mehr die neue Straße. Nur die Freiheiter führten ihre Maulesel weiterhin über die alte Harzchaussee, um Korn und Gips von den Gipsmühlen nach den Bergstätten und von dort Pochsand und teilweise Erz ins Tal zu bringen.

Als die Eisenbahnstrecke von Langelsheim nach Clausthal betriebsfertig war, trat eine neue gravierende Veränderung ein. Die Zeit, in der Maulesel den Warentransport übernahmen, war vorbei. Die Freiheiter schafften 1875 die letzten Maulesel ab. Die „Harzchaussee“ wurde nun auf diesem Abschnitt zum Fuß- und Wanderweg und nicht mehr als Chaussee straßenbaumäßig unterhalten. Mit diesem Wandel kam auch wieder der alte Name „alte Harzstraße“ in Gebrauch.

Foto: Postillione der Könglich Hannoverschen Post