Osteroder Kreis=Anzeiger 08.07.1997

Zu den Berichten über die Sturmschäden in Osterode:

Kein Osteroder Bürger kann sich erinnern, einen solchen Sturm wie er am Abend des 29. Juni gegen 22 Uhr über Osterode und Umgebung hereinbrach, erlebt zu haben. Es ist auch gut 100 Jahre her, „als am 28. Juli 1895 in der Nacht zwischen 11 und 12 Uhr ein furchtbares Hagelwetter mit orkanartigem Sturm über die hiesige Gegend hereinbrach. Auf dem Schützenplatz in Freiheit wurde ein Karussell sechs Meter weit weggetragen und ist dabei umgestürzt, das Festzelt war abgedeckt, in zwei Zelte schlug der Blitz ein, doch glücklicher Weise ohne zu zünden. Es waren zwar viele von den Festteilnehmern verschwunden, doch Menschenleben sind nicht verlorengegangen“.

Im Bremketal hatte der Sturm einen furchtbaren Windbruch angerichtet, für 1,5 Milionen Mark Wald war gebrochen. Fast zwei Jahre haben die Aufräumungsarbeiten gedauert, und es ist noch nicht alles Holz abgefahren“, heißt es in der Chronik vom 13. Juli 1897, zwei Jahre nach dem Unwetter.

Auch einige Jahre zuvor, am 27. Juni 1861, war ein wolkenbruchartiger Regen, welcher zwei Tage und Nächte andauerte, über Osterode niedergegangen. Infolgedessen schwoll der Lerbach so an, daß er den ganzen Ort überschwemmte. Bäume trieben herab, legten sich quer vor die Gebäude, so daß mehrere Ställe vollständig weggerissen wurden. Von Freiheit ab floß das Wasser durch die Johannisvorstadt, wo es bei niedrig gelegenen Gebäuden in die Fenster des unteren Stockwerkes floß.

Menschenleben sind in Freiheit nicht zu beklagen gewesen. Schlimmer noch ist die Wasserflut der Söse gewesen. Dieselbe hat auf dem linken Ufer die Promenade unterspült, die Mauer und die Bäume weggerisen. Ein junger Mensch hatte sich an das Ufer gestellt, um den Wasserfluten zuzusehen, als der Boden unter seinen Füßen weggerissen wurde, so daß er selbst ertrank“.

Nach diesem Chronikbericht wurde die Sösemauer streckenweise neu gefestigt. Auch die Baumbepflanzung war mit eingeschlossen, so daß nicht auszuschließen ist, daß mancher Baum, über 130 Jahre alt, in unserer Zeit den Naturkräften nicht widerstehen konnte. Bei dem diesjährigen Sturm litten auch jüngere Bäume unter den Naturgewalten. Die Bepflanzung der Innenstadt und privater Gärten bot ein wüstes Bild, Mag mancher Bürger darüber verwundert und erschrocken gewesen sein, eigentlich jedoch regierte in diesen Tagen das Naturgesetz „Kreislauf der Stoffe“. Wie die Beispiele zeigen, sind solche Ereignisse im Ablauf des natürlichen Kreislaufs keine Ausnahme.

Gestürzte Bäume begünstigen durch Lichteinfall das Wachstum der Bodenvegetation und geben dem Boden die aufgebauten Nährstoffe zurück. Der Mensch ist heute dabei, sich die Natur wieder in die Wohnfläche zu holen, so wachsen Waldbäume zwischen Verbundsteinpflaster, beziehungsweise Asphalt, und sind bei Unwetter gefährdet. Es liegt wohl an dem begrenzten zeitlichen Wahrnehmungsvermögen des Menschen, solche Ereignisse als erschreckend zu empfinden.

Albrecht Schütze,
Osterode