Harz Kurier vom 13.11.1993

Zur Erinnerung an seinen 100. Geburtstag

Osterode. Er war kein berühmter Maler, Dichter, Staatsmann oder bekannter Bürger unserer Stadt - dennoch gibt sein Geburtsjahr Anlaß, darüber nachzudenken, wie Sinn und Unsinn des Lebens in ungeahnter Nähe liegen können, wenn verantwortliche Politiker unverantwortliche Entscheidungen treffen.

Friedrich Staats wurde am 10. März 1893 in Broistedt bei Braunschweig geboren. Sein Vater war Tischlermeister. Friedrich ging 1910 nach Northeim auf das Lehrerseminar, denn er fühlte sich zum Lehrer berufen. Er wollte jungen Menschen die Werte der Kunst, der Sprache, der Religion, der Naturwissenschaften vermitteln. Er wollte jungen Menschen
eine Welt zugänglich machen, die persönlich bereichert, die Hoffnungen trägt und Lebensfreude wachsen läßt.

Wieviel Zeit war ihm dafür gegeben? Als er 1913 das Seminar in Northeim verließ, absolvierte er seine Militärpflicht in Osnabrück und übernahm am 1. April 1914 den Unterricht in der Volksschule Freiheit. Bereits nach drei Monaten wurde er eingezogen - der Erste Weltkrieg brach über Europa herein. Nur drei Monate Schuldienst, gemessen an den Feldpostbriefen, die er an die Schule schrieb, dokumentieren, welch hohes Ansehen er sich bei Kollegen und Schülern in so kurzer Zeit erworben hatte. Die Schüler verehrten ihn wohl, denn Briefe und Päckchen gehen für ihn von Freiheit an die Front. Aus dem Pädagogen, der Menschen erziehen wollte, wurde-ein Soldat, der Befehle zum Töten ausführen mußte.

Studiert man seine Briefe, addressiert an den Hauptlehrer Oelkers, immer verbunden mit Grüßen an seine ehemaligen Schüler, gewinnt man den Eindruck, daß Friedrich Staats durch die Zeitumstände in eine für ihn zwiespältige Welt geführt wurde: „Menschen erziehen zu wollen - nun Menschen töten zu müssen, ist ein unüberbrückbarer Gegensatz, mit dem man nicht leben kann, auch wenn man sich diese Last in Briefen von der Seele schreibt: „Furchtbar war das Nachtgefeeht, mit 138 Mann ging ich ins Gefecht, nur 32 überlebten es....

Dieser unheilvolle Krieg wird doch wohl bald ein Ende nehmen....” Ich kehre gern nach Freiheit wieder zurück, weil ich dort mit Lust und Liebe habe mit Menschen arbeiten können...”

Friedrich Staats kehrte nicht zurück. Er fiel bei einem Sturmangriff am 17. Juli 1915. Die Erwartungen seiner Eltern, Kollegen und Schüler erfüllten sich nicht. Kein Einzelfall, die Geschichte diktierte für unzählige Menschen den Lebensweg, der den Angehörigen Leid, Trauer und Hoffnungslosigkeit brachte und vielen, die in Würde leben wollten, keine Chance bot, als Mensch ein lebenswertes Dasein für sich und andere zu verwirklichen.

Albrecht Schütze