HarzKurier 4.12.1999
Serie: Von Land und Leuten (35)

Vergessene Erinnerungsbäume - von Albrecht Schütze

Osterode. Anläßlich besonderer Ereignisse wurden früher und werden auch noch heute Bäume gepflanzt, die eine Erinnerung wachhalten sollen. Im Verlauf der Zeit ändern sich jedoch die Ansichten über die einst hoch eingeschätzten Ereignisse und mancher Baum verlor seine zugedachte Bedeutung.

In Freiheit wurde am 18. Oktober 1913 der Völkerschlacht bei Leipzig gedacht und eine Eiche gepflanzt. Die Jahrhundertfeier wurde nach Chronikunterlagen festlich begangen. Schulkinder der Freiheiter Volksschule wurden als Hauptakteure eingesetzt. Zunächst wurde der Platz vor der Müllerschen Eisengießerei in der Hauptstraße instandgesetzt. Gedichte sowie patriotische Lieder wurden in der Schule eingeübt und am Jubiläumstag vorgetragen. Ein Eichbäumchen wurde gepflanzt und die Bedeutung der Völkerschlacht von 1813 gegen Napoleon mit eindrucksvollen Worten durch den Schulleiter W. Oehlkers gewürdigt.

Auf Veranlassung der Regierung sollte gleichzeitig das 25-jährige Regierungsjubiläum Kaiser Wilhelms II (3 Kaiserjahr 1888) bei der Feier mit einbezogenwerden. Die gepflanzte Eiche sollte zukunftsweisend eine gerechte Zeit symbolisieren. Eichen waren schon den Germanen heilig und oftmals als Gerichtsbaum ausersehen. Bekanntlich können Eichen Jahrhunderte überdauern, daher wurden sie gern als Erinnerungsbaum für außergewöhnliche, geschichtliche Ereignisse gepflanzt.

Die Völkerschlacht- bzw. Regierungsjubiläumseiche trug kein Schild, das auf ihre Bedeutung hinwies, so geriet der Anlass der Pflanzung in Vergessenheit. Der Baum wurde 1960 entfernt, als die Eisengießerei Müller den Platz für den Bau einer Fabrikationshalle einbezog. Ein ähnliches Schicksal ereilte die „Luthereiche“, die 1883 anlässlich des 400. Geburtstags von Martin Luther auf dem Schützen platz gepflanzt wurde. Der Standort ist ungenau überliefert, so dass der Baum heute nicht mehr eindeutig ausfindig gemacht werden kann. In der Chronik heißt es:,, . . . es ist die Eiche, welche nach dem Harzgebirge zu steht“. In der nachfolgenden Zeit sind aber weitere Eichen auf dem Schützenplatzgelände in Freiheit gepflanzt worden, so dass nur das geschätzte Alter eine genauere Bestimmung erlauben würde. Vielleicht ist die „Luthereiche“ aber ungeachtet längst gestürzt, wie die 1928 gepflanzte „Turnereiche“, die durch den Orkan 1997 schwer geschädigt, aus Sicherheitsgründen gefällt werden musste. (Standort: ehemaliges Turnerehrenmal)

Nur eine „Erinnerungseiche“, gepflanzt am 22. März 1897, steht noch heute auf dem Schützenplatz in Freiheit. Es ist die „Kaiser-Eiche“, die in Erinnerung an den 100. Geburtstag von Kaiser Wilhelm I. von Schulkindern gepflanzt wurde. Dieser Baum erhielt eine gusseiserne Tafel und ein eisernes Schutzgitter, das 1971 entfernt werden musste, weil der Baumumfang das Gitter sprengte.

Der Platzwart Günter Dix konnte diese Eiche eindeutig bezeichnen und die Eisentafel vor der Verschrottung bewahren.

„Kaiser-Eiche“ Günter Dix hält das Erinnerungsschild von 1897 und zeigt damit die Höhe des Schutzgitters an der Kaiser-Eiche an. Foto: Schütze