Osteroder Kreis=Anzeiger 14.März 1953

 

Der OKA besuchte den Fernseh-Versuchsraum der Continental-Rundfunkwerke auf den Freiheiter Höhen


OSTERODE. Ein neuen Wort und ein neuer Begriff sind in unsere Welt eingebrochen: Fernsehen. Wir erinnern uns, daß schon im Jahre 1934 die ersten Versuche in Deutschland durchgeführt wurden und, 1939 bereits Fernsehstuben in Berlin bestanden. Nach zwangsläufiger Unterbrechung während des Krieges und durch die Bestimmungen der Nachkriegszeit hat der NWDR 1951 mit den ersten Versuchen wieder begonnen und seit Beginn dieses Jahres wird in den Abendstunden regelmäßig eine entsprechende Sendung ausgestrahlt. Es ist verständlich, daß wir uns dafür interessierten, ob in Osterode überhaupt ein Fernsehempfang möglich ist. Nach allen technischen Berechnungen und Untersuchungen der Fachleute mußte dies unmöglich sein. Aber es gibt ja ach auf diesem Gebiet manche Ueberraschung. Man braucht nur an den Empfang der UKW-Sender zu denken. Was man noch vor geraumer Zeit für unmöglich gehalten hat, ist jetzt Wirklichkeit geworden. Es ist auch ebenso verständlich, daß wir uns an die in Osterode-Freiheit beheimatete Continental-Rundfunk-Gesellschaft wandten, die selbst mit der Entwicklung derartiger Geräte beschäftigt ist und uns nach den Empfangsmöglichkeiten erkundigten. Dort bekamen wir die Auskunft, daß auch bei uns an einer bestimmten Stelle die Sendungen aus Hannover aufgefangen werden können. Wir haben dann an einer solchen Sendung teilgenommen und mußten feststellen, daß der Empfang ausgezeichnet war und unsere persönlichen Erwartungen weit übertroffen wurden.

Bevor wir jedoch auf den eigentlichen Empfang der Sendung, ihren Inhalt und das dabei verwandte Gerät zu sprechen kommen, soll erst einmal geklärt werden, wie überhaupt ein solcher Empfang möglich ist. Fernseh-Sendungeo werden über Ultra-Kurzwelle ausgestrahlt und zwar bei den deutschen Sendern auf dem 1,4-bis 1,7-Meterband (=174—216 Megaherz), während die normalen UKW-Rundfunksendungen durchschnittlich auf dem Drei-Meterband (87 bis 100 Mhz) gesendet werden. Fernsehen ist also nicht nur dem UKW verwandt, sondern es ist UKW — nur mit dem Unterschied, daß gleichzeitig mit dem Ton, im Gegensatz zum Rundfunk, ein Bild gesendet wird. Dieses geschieht nicht etwa getrennt, sondern der optische und akustische Vorgang sind in ein und derselben Welle enthalten, und das ankommende Frequenzgemisch wird erst im Fernseh-Gerät in einen Ton- und einen Bild-Kanal geleitet Dadurch ist es bei schlechten Empfangsbedingungen durchaus möglich, daß entweder nur der Ton oder aber nur das Bild empfangen werden kann.

Wir erhielten dieser Tage die Erlaubnis, den Femsehversuchsraum der Contiuental-Rundfunk-werke zu betreten, in dem der Leiter der Fernsebabteilung der Firma, Pospiech, residiert. Man überlege sich einmal, daß wir von unserem nächsten Sender, dem Fernsehsender Hannover, gut 80 Kilometer entfernt liegen und bei der heutigen Sendestärke von 1 kW theoretisch nur einen Empfang in einer Entfernung von 40 km möglich ist. Theoretisch wäre ein Empfang in Osterode also unmöglich. Wir wurden aber eines Besseren belehrt. Auf den Freiheiter Höhen wurde ein Punkt ausfindig gemacht, wo ein ganz klarer und reiner Empfang der Sendung gewährleistet ist. Daß zufällig an dieser Stelle noch eine unbenutzte Baracke steht, war für die Conti-Leute ein besonderer Glückszufall.

In diesen Kaum nun wurden wir geführt. Es war 20 Uhr. Kahl und nüchtern war das Zimmer, mit anderen Worten gesagt, ein richtiger Versuchsraum. Au der Stirnseite ein Gerät, das schon durch seine äußere Form auffiel und dessen Mittelpunkt aus einer großen Glasplatte zu bestehen schien, auf der es unaufhörlich blitzte und über die schwarze Streifen zu laufen schienen. An dem Gerät selbst eine Reibe von Knöpfen. Das war also der ,,Zauberspiegel'5, das Fernsehgerät, das Gerät, das dem größten Teil unserer Bürger noch unbekannt, in Amerika aber fast schon in allen Haushaltungen zu finden ist. Um einmal ganz ehrlich zu sein, wir waren mit etwas Skepsis hinaufgegangen und es bestand im Inneren die Meinung, daß wir wohl kaum etwas erleben würden. Aber es kam ganz anders.

Auf dem 38x28 cm großen Bildschirm, die Conti hat den größten Bildschirm aller bisher in Deutschland hergestellten Fernsehgeräten, erschien ein Bild, wie es besser und vorbildlicher nicht sein konnte. Der Ton war klar und rein.

Verzerrungen traten in keinem Fall auf. Frappierend war auch die Wirkung, die dieser Zauberspiegel auf die einzelnen Personen ausübte, die an diesem Empfang teilnahmen. Man hing — anders kann man es nicht ausdrücken — an dem Gerät. Ein totes Stück bekam auf einmal Leben und zog jeden Betrachter in seinen Bann. Man konnte sich einfach nicht frei machen, Auge und Ohr waren eingefangen.

Ueber das Programm dieser Sendung etwas zu sagen, würde zu weit führen. Eins muß aber doch festgestellt werden, alle aus diesem kleinen Kreis waren von der Gestaltung, von den Reportagen, von der Tagesschau, von der Direktübertragung oder dem kurzen Vortrag eines Arztes begeistert. Man hatte die Sprechenden vor sich, konnte ihre Gesichtszüge studieren, ihre Mundbewegungen beobachten — also den ganzen Menschen betrachten. Wir glauben, unser heimisches Rundfunkwerk kann stolz auf diese Entwicklung sein.

Wie das Gerät selbst von außen aussieht, zeigt unser Bild. Es wird vielleicht interessieren, daß mit dem Gerät gleichzeitig sämtliche UKW-Sender empfangen werden können (ein© Kopplung mit Mittelwellenempfang gibt es noch nicht). Das Gerät hat 25 Röhren einschließlich der Bildschirmröhre, und seine Bedienung ist einfach. Der Besitzer eines solchen Gerätes wird nur einen Knopf zu bedienen haben. Als einzige Firma in Westdeutschland hat das Conti-Gerät außerdem ein magisches Auge. Fachleute der Firma sind der Ansicht, daß nach erfolgter Verstärkung des Senders iu Hannover auf 10 kw auch in unserem Heimatgebiet seihst ein klarer Empfang möglich sein wird.

Außerdem hatten wir Gelegenheit, den Versuchsraum im Gonti-Werk selbst zu besuchen. Dort wird fleißig gearbeitet, die Versuche sind beendet und man trifft bereits Vorbereitungen zum Anlaufen der Serienproduktion dieses Fernsebschrankes.               -ze

siehe auch. IMPERIAL- RUNDFUNK - UND FERNSEHWERK GMBH